Jan's Jamboo
Jun 05, 2025
Jan und ich kennen uns seit Jahren, und wenn ich daran zurückdenke, wie wir uns kennengelernt haben, ist das schon eine eigenartige Geschichte.
Wir leben beide in einer kleinen Stadt in Italien, und unsere Kinder waren im gleichen Kindergarten. Irgendwann hörte ich diesen Typ dann Deutsch mit seinem Sohn reden, und noch dazu saß er auf einem eigenartigen Fahrrad aus Bambus und zog damit einen Croozer-Anhänger, in dem immer ein anderes Kind saß.
Ich dachte mir: Noch so einer, der einfach hiergeblieben ist, anstatt nach dem Urlaub wieder in irgendeine graue Stadt zurückzukehren.
Ich war damals gerade aus Wien nach Italien gezogen, und der Wiener Schmäh fehlte mir. Salopp gedacht: zwar kein Wiener, aber immer noch besser als gar nichts. Und weil mich diese Bambusräder sowieso schon immer interessiert hatten, kam ich dann ziemlich schnell mit ihm ins Gespräch. Er meinte, er würde diese Räder in Deutschland bauen, weil er dort in einer großen Werkstatt als Modellbauer arbeitete, und ich sollte doch mal bei ihm zu Hause in Italien vorbeikommen, wo er einige dieser Räder stehen hätte.
Von der Neugier zur Zusammenarbeit
Jan und ich trafen uns immer öfter – bei ihm oder bei gemeinsamen Ausfahrten – und irgendwann hatten wir dann die Idee, ihm ein Logo und einen Namen für seine Bikes zu geben. Schließlich versuchte er, die Bikes besser zu vermarkten. Wir kamen dann auf den Namen „Jamboo“ und machten ein Logo dafür. Ich hatte mit dem Look der Fahrräder von Anfang an irgendein Problem, das ich nicht artikulieren konnte. Jan wollte sie verkaufen, und dafür mussten sie sich von anderen Bambusrädern unterscheiden und meiner Meinung nach vom Sandalenträger-Öko-Image wegkommen.

Schlussendlich hatte ich diese Vision von gefärbtem Bambus, und wir experimentierten wochenlang, um irgendeine Möglichkeit zu finden, dem Bambus seinen Öko-Touch wegzufärben. Außerdem bestand er darauf, dass seine Fahrräder besser als jedes andere Bambusrad seien – und das musste man ihnen auch ansehen.
Einer der ersten Tests um Bambus zu färben
Ein Hype – dann kam der Stillstand
Alles entwickelte sich prächtig: Die farbigen Bikes wurden in der Stadt immer bekannter, Geschäfte wollten sie in den Auslagen ausstellen, die ersten verkauften sich. Und dann kam die Pandemie und stellte innerhalb weniger Wochen alles auf den Kopf. Die ganze Fahrradindustrie stand vor einer noch nie dagewesenen Teileknappheit, eBay wurde leergekauft, und Teile zu besorgen wurde immer schwieriger. Schlussendlich kam der gesamte Markt zum Stillstand, weil es keine Teile mehr gab.
In dieser Zeit schickte mir Jan immer wieder Fotos und Videos aus seiner Garage in Italien, die er zu seiner Werkstatt umgebaut hatte. Er hatte sich selbst Werkzeuge gebaut, um die Rahmen herstellen zu können. Als das Schlimmste überstanden war, kam er plötzlich mit einem Gravelbike aus Bambus bei mir vorbei: Scheibenbremsen, SRAM-Schaltung und eine neue Rahmengeometrie, die ich so noch nie gesehen hatte. Das Bike sah unglaublich aus. Ich war in dieser Zeit selbst sehr viel Rad gefahren, weil es nun mal die einzige Möglichkeit war, Sport zu betreiben. Und als wir unsere erste Ausfahrt machten, konnte ich ihm einfach nicht mehr folgen – speziell im Wald war mein damaliges Rad einfach um Längen unterlegen.

Als die Pandemie schließlich überstanden war, sind wir die Bikes endlich ausgiebig testen gegangen. Wir mussten verstehen, wo – und ob – es überhaupt Schwachstellen in seiner Konstruktion gab. Am Anfang hatten wir noch Sorge, ob die Bikes die Trails in den Wäldern überstehen würden. Wir tasteten uns von Schotterstraßen über weiche Flow-Trails bis hin zu steinigen Mountainbike-Abfahrten heran. Selbst kleinere Mountainbike-Sprünge waren unproblematisch. Wir waren mit ihnen am Meer und sind mit ihnen durch die Berge gefahren, und schlussendlich entschieden wir, sie einem ultimativen Härtetest zu unterziehen.

Härteprobe: 500 Kilometer durch die Toskana
In Italien war Bikepacking schon vor der Pandemie ein Trend, aber danach ist durch den Gravel-Hype die Szene so richtig explodiert. Als wir 2023 in der Toskana zum Tuscany Trail angetreten sind, waren dort mehr als 4.000 Teilnehmer dabei – Jan mit seinem Pandemie-Gravelbike und ich mit dem Nachfolgemodell, das in letzter Sekunde fertig wurde. Wir gaben uns das Versprechen, dieses Mal die Bikes nicht zu schonen und sie so zu fahren, als wären sie nicht in hunderten von Stunden Handarbeit entstanden.

Ich kann es bis heute schwer einordnen, weil wir in der Zeit viel gefahren sind, aber es gab kaum jemanden, der uns dort das Wasser reichen konnte. Jan war eine Macht im Anstieg, und für mich waren es mehr die Abfahrten als die Aufstiege, die mein Fahrrad so speziell machten. Niemand konnte mir folgen, und ich überholte teilweise 20–30 Leute auf einer Abfahrt. Ich bin nie wieder ein Gravelbike gefahren, das so viel wegsteckte, federte und gleichzeitig so reaktiv blieb. Beide Bikes hielten ohne Probleme die ganzen 500 Kilometer durch und werden heute noch fast täglich bewegt.

Meisterwerke, keine Kompromisse
Jans Bambusfahrräder haben in den letzten Jahren eine Perfektion erreicht, die nicht mehr wirklich in Worte zu fassen ist – man muss es einfach einmal ausprobieren. Wenn eine Person einen gewissen Grad an Professionalität erreicht, nennt man sie einen Meister – und ich würde Jans Räder als Meisterwerke bezeichnen, die sich nicht mehr mit anderen Bambusrädern vergleichen lassen, sondern vielmehr auf dem Niveau von hochpreisigen Carbon-Gravelbikes sind.

Maßarbeit mit Wartezeit
Heute baut er Renn-, Endurance- und Gravelbikes auf Vorbestellung. Die Räder bestehen aus Aluminium, Carbon und Bambus, und er entscheidet, welche Bauart und Geometrie für die jeweilige Person die richtige ist. Kunden warten bis zu 6–12 Monate, damit er in stundenlanger Arbeit Rahmen per Hand herstellt. Ein Fahrrad benötigt von der Konzeption bis zur Auslieferung über 300 Stunden – und bis heute sind mehr als 25 Modelle entstanden.

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